Artikel NZ 10.08.2012 - "Ein Spiegel der damaligen Zeit"

"Ein Spiegel der damaligen Zeit"
In der Geschichtswerkstatt im Kulturzentrum Alte Schule werden mehr als hundert Jahre alte Akten gesichtet und archiviert

Stotel. „Wir machen Basisarbeit. Wenn sich jemand für Geschichte interessiert, kann er hier vieles über die Sitten und Gebräuche aus vergangenen Zeiten finden.“ Karl-Heinz Bellmer von der Geschichtswerkstatt in Stotel gerät ins Schwärmen, wenn er auf die unzähligen Zeugen der Vergangenheit in den Regalen im Kulturzentrum Alte Schule blickt. Zurzeit sichten die „Geschichtsarbeiter“ Bellmer, Uwe Bargmann und Petra Wend und Joanna Kähling-Frerks, die als so genannte Bürgerarbeit in im Archiv tätig ist, bergeweise Akten aus der Amtszeit des Standesbeamten Hinrich Bellmer, der von 1901 bis 1945 im Standesamt Stotel für Stotel, Fleeste, Hahnenknoop, Hetthorn, Holte und Lanhausen zuständig war. Die Akten hatten anderweitig nicht mehr untergebracht werden können und werden nun von Petra Wend fotografiert und in ein Findbuch eingetragen. „Fotografiert sind sie bis zum Buchstaben E. Stück für Stück erfasse ich sie, geordnet nach Geburtsdaten, Namen und sonstigen Merkmalen. Meist sind es Aufgebote und die dazugehörigen Heirats- und Geburtsurkunden“, erklärt sie. Sobald diese Arbeiten erledigt sind, werden die Akten dem Kreisarchiv in Otterndorf angeboten. Falls dort Interesse besteht, gehen die Originale nach Otterndorf und in der Geschichtswerkstatt kann auf die Fotokopien zugegriffen werden. Ein echter Schatz für die Stoteler Geschichtsfreunde ist eine Heiratsurkunde von 1902, über die Eheschließung der 49-jährigen Witwe Auguste Helene Agnes Rütz, geborene Graf, aus Zoppot bei Danzig, mit dem Hauptlehrer und Organisten Johann-Friedrich Bartels in Stotel. Bartels war von 1896 bis 1909 Lehrer in Stotel, also in der Zeit, als die Alte Schule gebaut wurde. „Was hat Frau Rütz wohl damals hierher verschlagen?“, rätselt Joanna Kähling-Frerks. Sie hat auch eine amerikanische Zeitung mit einer Heiratsanzeige aus dem Jahr 1929 entdeckt. Sie wurde aus New York nach Stotel geschickt, als Beleg dafür, dass die in Stotel in Auftrag gegebene Annonce auch tatsächlich gedruckt worden ist. „Interessant ist, dass in der Zeitung sehr viele Bilder von Dampfern abgebildet sind, die damals über die Weltmeere fuhren“, freut sich Kähling-Frerks über den Fund. In der Geschichtswerkstatt werden auch Akten von Ortsvorstehern aus der Gemeinde und aus privaten Hinterlassenschaften gesichtet und kopiert. Als kürzlich Holger Rasch, Fachbereichsleiter der Gemeinde Loxstedt, zu Gast war, erfuhr er eine Menge über die Geschichten, die hinter den Akten stehen. „Diese Geschichten müssen erhalten bleiben. Sie sind Spiegel der damaligen Zeit“, erklärte er. (be)
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